Montag nachmittag. Ich fahre vom Dorf, wo die Übergangswohnung ist über den Berg durch den Wald in den Ort, in dem wir eigentlich wohnen, leere den Briefkasten, stelle die geleerte blaue Tonne zurück, halte einen kurzen Schwatz mit der Nachbarin und fahre weiter, um Sohnemann vom Flöten abzuholen. Großtöchterchen hat direkt nach ihm Unterricht und wird später vom Papa abgeholt, der direkt von Arbeit dahin kommt. Das passt zeitlich gut so.
Sohnemann und ich fahren in die größere Stadt, zunächst in den Supermarkt. Bis hierhin ist alles Routine. Montagsalltag.
Als wir aus dem Markt kommen, pfeift ein kräftiger Wind, ich muss mich gegen den Einkaufswagen stemmen, um ihn zu steuern. Es ist glatt geworden. Und ich weiß, ich muss vorsichtig fahren. Seit einiger Zeit hab ich das Gefühl, meine Winterreifen sind nix mehr wert und sagte das dem Herrn TAC bereits mehrfach. Das Profil ist aber noch gut, so hat er es abgetan.
Ich fahre vorsichtig, alles gut. Ich nehme nicht den Berg mit dem Kopfsteinpflaster, sondern die neu asphaltierte Straße. Wir bekommen einen Parkplatz direkt am Markt. Es ist rutschig, als wir übers Pflaster ins Gebäude laufen. Alles gut.
Sohnemann hat Physiotherapie. Ich warte gleich da und stricke. Es ist inzwischen halb 6, er ist der letzte. Die Reinigungskraft kommt und redet über das unangenehme Wetter und dass es glatt ist.
Fertig. Wir laufen über das rutschige Pflaster zurück zum Auto. Ich fahre vorsichtig und langsam. Bewusst wähle ich größere Straßen und freue mich über den Winterdienst. 50 auf der Umgehungsstraße, keiner überholt. Zwei Autos mit Warnblinker, Sohneman sagt, er habe beim Vorbeifahren nichts gesehen, was auf einen Unfall hindeutet.
Wir fahren durch ein Dorf. Die Straße ist nass und hier nicht gefroren. Ich entspanne mich etwas und fahre auch hier bewusst die große Straße weiter, statt den kürzeren Weg über die Brücke zu nehmen. Wir kommen in unseren Wohnort. Es ist wieder glatter, aber kein Problem.
Dann übernimmt die Gewohnheit. Statt wie bisher die größere Straße mit gleichmäßigerem Berg zu nehmen, biege ich zur direkteren Strecke ab, mit dem steileren Berg.
Ich merke sofort, dass die Fahrbahn anders ist. Weißlich, gefroren. Vielleicht hätte ich direkt umdrehen sollen. Stattdessen krame ich mein gesamtes Fahren-im-Winter-Wissen zusammen. Erst geht alles gut. Dann kommt die heftige Steigung. Kein langes Stück, aber steil. Die Räder drehen durch, ich schalte zurück. Dann geht nix mehr. Ich komme nicht mehr vorwärts. Handbremse, Warnblinker, mit dem Fuß auf der Bremse. Ich merke, wie ich ganz langsam rückwärts rutsche. In meinem Kopf arbeitet es. Was soll ich nur tun? Langsam und kontrolliert zurück fahren... geht nicht, ich habe absolut keine Kontrolle, wohin es geht. Langsam. Aber stetig. Sohnemann auf dem Rücksitz ist ganz still.
Das Auto stellt sich ganz langsam quer. Ich bekomme Panik und rufe "Lieber Gott, hilf uns!"
Dann krame ich panisch nach dem Handy. Ich kann die Kontaktliste öffnen, bin aber zu panisch, nach der Nummer zu suchen. Ich gebe Sohnemann das Handy, er soll den Papa anrufen. Ganz ruhig geht er an die Sache heran und erklärt sachlich:" Wir stehen auf dem Berg und können nicht weiter." Ich rufe panisch dazwischen, weil Sohnemann den Ernst der Lage nicht rüber bringt. Ich höre meinen Mann sagen: "Beruhig dich erstmal, wir kommen!" Inzwischen stehen wir fast komplett quer auf der Straße. Und rutschen weiter. Ich hab Angst, dass ein Auto kommt und nicht bremsen kann. Und Sohnemann mit im Auto...
Plötzlich hab ich eine Idee. Da wir sowieso quer stehen, kann ich auch versuchen, umzudrehen und wenigstens irgendwie neben die Fahrbahn kommen. Am Waldrand wäre das möglich. Ich probiere und tatsächlich schaffe ich es, zu drehen. Nun rutsche ich aber bei jedem bischen nach rechts. Wo ich bin, ist eine Art Bordsteinkante. Wenige Meter weiter kommt Leitplanke. Wenn ich da dagegen rutsche, ist das Auto kaputt und die Leitplanke müssten wir auch bezahlen.
Plötzlich sehe ich gelbes Blinklicht. Der Winterdienst! Noch nie hab ich mich so gefreut, den zu sehen.
Ich warte, bis das Fahrzeug an uns vorbei ist und probiere wieder. Ich kann mit Motorbremse im ersten Gang bergab fahren. Bis zum Waldrand schaffe ich es und fahre da neben die Straße. Kaum stehen wir da, fahren zwei Autos vorbei.
Ich zittere am ganzen Körper, bin den Tränen nahe. Mein Hals ist trocken, so hole ich mir erstmal eine Flasche Wasser aus dem Kofferraum. Sohnemann will nichts. Wir reden nicht und warten.
Der Herr TAC kommt, mein Bruder ist mit. Er übernimmt mein Auto, ich steige bei meinem Mann ein. Wir lassen meinen Bruder in meinem Auto vorneweg fahren. Es geht langsam, aber stetig. Das Salz des Winterdienstes wirkt.
Als wir im Hof aussteigen sagt mein Bruder: "Die Reifen sind nix mehr. Selbst beim leichten Bremsen blockieren sofort die Räder."
Sag ich doch, aber mir hat niemand geglaubt.
Ich danke Gott von Herzen dafür, dass während der ganze Zeit, die ich da war, kein Auto kam. Wir waren ganz alleine, als wir da so quer und rutschend auf dem Berg waren.
Am Abend im Bett frage ich meinen Sohn: "Hattest du Angst?" Er antworte: "Ja." Ich hab es ihm nicht angemerkt. Ich gebe ihm einen dicken Kuss.
Bitzeisgrüße von TAC
Dienstag, 15. Januar 2019
7 Kommentare:
Zunächst einmal lese, freue und bedanke ich mich herzlich über jeden Kommentar.
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Uff, na, das ist ja dann doch noch mal gut gegangen, hast Du gut hinbekommen und der Winterdienst war auch mal rechtzeitig da :-)
AntwortenLöschenOh je , das ist ja der Albtraum schlechthin .
AntwortenLöschenAber trotzdem hast du noch besonnen reagiert .
Gut das euch nichts passiert .
Der Schrecken sitzt jetzt bestimmt etwas tiefer .
Alles Gute und liebe Grüße JANI
Hej,
AntwortenLöschenOh mann, das war ja ein schreckliches erlebnis! Gut, das du das so prima gemeistert hast und alles gut ausgegangen ist.ich hatte mal einen unfall mit meinen beiden kindern, richtig mit überschlag unddas auto war schrott. Aber wie durch ein wunder ist uns nicht viel passiert. Gute reifen sind gerde im winter wichtig :-) ganz lg aus dänemark, ulrike :0)
Hallo Du Liebe,
AntwortenLöschenoh dieses Wetter, ich hatte diesen Winter auch schon ein paarmal richtig Angst und bin auch dankbar, dass alles gut ausgegangen ist.
LG zu Dir
Manu
Oh Gänsehaut. Was für ein großer Schrecken. Und wie gut, dass darüber nichts Schlimmes passiert ist.
AntwortenLöschenLiebe Grüe
dörte
die grad über deinen 12telBlick hier gelandet ist
Hach, so viele liebe Kommentare. Ich freu mich grad so.
AntwortenLöschen@Ulrike: Ein Auto kann man ersetzen. Gut, dass euch nichts passiert ist.
Ich muss mal noch was ergänzen: In der Zeit, in der ich das geschrieben hatte, hatte ich seltsamerweise keine Kommentare. Ein dreiviertel Jahr lang. Bis ich zufällig bemerkte, dass ich wohl ein Häkchen falsch gesetzt hatte und ich die alle hätte einzeln frei schalten müssen. Als ich das bemerkt hab, hatte ich auch was dazu geschrieben: https://pusteblumenwetter.blogspot.com/2019/02/kommentare-asche-auf-mein-haupt-und.html
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